Kleidung - wie funktioniert Isolation


Kleidung - wie funktioniert Isolation:
Ein oft entflammtes Thema im Outdoor, Survival und auch Militärbereich ist „Mein Schlafsack ist wärmer als XXX“ oder auch „XXX taugt nicht so viel, weil YYY ist viel wärmer!“. Dabei geht es heiß her, aber leider meistens auf Basis von subjektiven Empfinden, statt auf Basis von Fakten. Daher stellen wir uns hier der Frage: Was ist „wärmen“ überhaupt – und was ist am besten?

Hierbei gilt, wie immer:
„Ihre pers. Präferenz/Erfahrung kann abweichen, bei riesigen Nebenwirkungen heiraten sie Ihren Arzt und tun sie so als sein Sie ein Apotheker!“ – (was heißt, wenn ihr subjektiv andere Erfahrungen gemacht habt, ist das so – ändert aber nichts an den Gesetzen der Physik!)




Übersicht:
- Generelles – wenn wir frieren
- Wie handhabt unser Körper Kälte / warum müssen wir uns „isolieren“?
- Was für Kleidung wärmt uns – und wie?
- Welche Materialien bieten sich dann hier an?
- Was ist besser?
- Das Fazit
- Begadi Tip



Generelles – wenn wir frieren:
Bei Kälte ist der wichtigste Faktor, den Status Quo der Körpertemperatur von 36,0 bis 37,4 °C zu erhalten. Sinkt die Körpertemperatur unter 36°C beginnen wir zu frösteln, ab  35°C reagiert der Körper und produziert Wärme durch automatisiertes Muskelzittern. Dies ist der Beginn der sog. Hypothermie. Dabei ziehen sich Blutgefäße in den Gliedmaßen zusammen um die Durchblutung der äußeren Körperregionen zu reduzieren. Sinkt die Temperatur weiter, trübt sich das Bewusstsein ein. Diese Eintrübung kann bis zur sog. Kälteidiotie führen. In dieser Phase tritt bereits eine deutliche Abschwächung der Reflexe ein, das Zittern hört auf. Dies wird in Verbindung mit der Eintrübung oft fälschlicherweise als ein Zeichen der Erwärmung gesehen, in Wahrheit stellt der Körper das Zittern aber wegen Ausweglosigkeit ein. Wenn die Temperatur auf weniger als 28 °C absinkt, kommt es zu Ohnmacht, unter 28 °C fällt der Körper in einen Scheintod-ähnlichen Zustand. Ist man alleine, ist dies im Regelfall das Ende.


Wie handhabt unser Körper Kälte / warum müssen wir uns „isolieren“?
In der Natur wird immer ein „Durchschnitt“ der Temperatur vorhanden sein. Kippe ich 100ml heißes Wasser in 100ml eiskaltes Wasser, wird sich die Temperatur sehr schleunigst auf einen Mittelwert einpendeln. Ein warmer Körper gibt Wärme an seine Umgebung ab. Ist die Umgebung wärmer, nehmen wir Wärme auf (und müssen kühlen, durch schwitzen). Unser Körper hält, über seinen Metabolismus, die Kerntemperatur von 37,5°. Steigt diese, sprechen wir von Hyperthermie (bekannteste Ausprägung: Fieber), sinkt diese, von Unterkühlung oder Hypothermie (wir „frieren“, was ein Warnzeichen für die Hypothermie ist (siehe oben)). Unsere Wärmekraftwerke, die Mitochondrien, im Körper verbrennen Energie (Essen) und erhalten die Temperatur.

Unser Körper gibt permanent Wärme an die Umgebung ab, wird es kühler oder kommen andere Faktoren dazu (Feuchtigkeit erhöht die Wärmeabgabe bis zu Faktor x20), Wind ebenso x5) wird es richtig kalt (z.b. erfriert man deutlich schneller, bei +5° und Regen, als bei -5° und trocken! Ein Umstand, den dutzende Wanderer in Nationalparks der USA mit dem Leben bezahlen). Unser Haut hat einen Wärmeleitkoeffizient von X (mir ist der Wert leider nicht bekannt). Heißt mit Rate X gibt der Körper Wärme ab, wenn er nackig ist. Zieht man da etwas drüber (Kleidung), ergeben sich 2 Faktoren:
  1. bildet sich zwischen dem Körper und dem Kleidungsstück ein Luftpolster
  2. tritt der Stoff der Kleidung an Stelle der äußersten Hautschicht
Jetzt erwärmt der Körper den Zwischenraum auf 37,5° und freut sich, die Kleidung gibt ebenfalls mit ihrem Koeffizient die Wärme weiter. Gibt die Kleidung zusammen mit dem Luftpolster die Wärme mit einem höheren Wert weiter als die Haut, so haben wir einen kühlenden Effekt (feuchtes Leinen, z.b.), gibt der Stoff zusammen mit dem Luftpolster die Wärme langsamer weiter, haben wir eine Isolierung, je langsamer der Stoff die Wärme weiter gibt, desto weniger muss der Körper nachheizen. Gibt der Stoff zusammen mit dem Luftpolster, z.b. durch sehr niedrige Außentemperatur, die Wärme schneller ab, als wir nachheizen können, beginnen wir zu frösteln!



Was für Kleidung wärmt uns – und wie?
Jetzt ist es so, dass verschiedene Materialien, verschiedene Wärmeleitkoeffizienten haben. Je schlechter diese sind, desto langsamer geben sie Wärme ab. Einen der schlechtesten hat übrigens die Luft um uns herum. Natürlich ist dies hinfällig ist, sobald man sich bewegt oder auch nur (unspürbarer) Wind geht (und es geht IMMER Wind, auch wenn wir ihn nicht bemerken). Daher muss die Luft unbeweglich gebunden werden. Dies geschieht bereits, wenn wir dünnsten Stoff als Kleidung wählen, der zumindest winddicht ist!

Jetzt nehmen wir mal an, für unser Beispiel, unsere Haut würde Wärme mit Faktor 10 abgeben, das Limit was die Mitochondrien leisten können, wäre bei 50. Wir tragen ein Hemd das nur den Faktor 5 hat. Unser Körper freut sich, 50% weniger Arbeit, alles tutti! Plötzlich regnet es, aus dem Faktor 5 wird der Faktor 25. Hu, jetzt wird es kühl, der Körper bollert so richtig rein. Aber dann kommt auch noch der Wind, das Wasser verdunstet, der Faktor 25 wird evtl. zu 75 – der Körper kommt nicht mehr nach, entweder wir schützen uns – oder erfrieren!

Unser Fazit? Wir brauchen etwas Besseres. Je mehr Barriere aus Material, das wäre langsamer als unser Körper abführt, desto weniger muss unser Körper nachheizen –> desto besser kommt er seiner Aufgabe, uns bei 37,5°C Kerntemperatur zu halten.


Welche Materialien bieten sich dann hier an?
Generell ist klar, jedes Material, das Wärme schlechter ableitet als unsere Haut ist gut! Und je mehr wir zwischen uns und die „Kälte“ (kältere Umgebungsluft) bringen, desto besser, richtig? Falsch! Übertreiben wir es, kommt es zum Wärmestau, und unser Körper fährt die Heizleistung zurück und muss wieder anfangen zu kühlen – wir schwitzen! Im Winter ist das fatal! Wir müssen daher richtig auswählen!

Generell ist es so, dass dichte Gewirke, auch wenn sie schlecht leiten entweder sehr dünn sind (Wolltuch, Softshell, Fleece) und damit der Isolation Grenzen gesetzt sind. Dichtere, feste Materialien sind zu sperrig und für Kleidung nicht geeignet (Kork, Styropor, etc).
Für den Gebrauch bei Isolationskleidung (und Schlafsäcken) muss also auf Material zurückgegriffen werden, dass bei Bedarf komprimierbar ist und unkomprimiert eine dicke Schicht schlecht leitenden Materials erzeugt. Erreicht wird das, durch Materialien, die große Mengen unbeweglicher Luft binden können (Hohlfasern, Faservliess und Daunen/Federn). Ihr gemeinsamer Faktor ist die Bauschkraft, der Loft oder schlicht – wie dick sich die Materialen „aufplustern“ können!



Was ist besser?
Diese Frage ist einerseits gar nicht, andererseits sehr leicht zu beantworten: Je höher/dicker die Bauschkraft, desto besser die Isolation. Aber hinzu kommen die weiteren Faktoren, wie Komprimmierbarkeit, Eigengewicht, Wartungsfreundlichkeit, Feuchtigkeitsverhalten, etc. Eine Bauschkraft von 10cm bindet auf 10cm Luft, ungeachtet des Herstellers oder welches Material die Bindung aufnimmt! Aber wie schwer es dann ist, wie kompakt, etc. das ist ein Punkt, den man betrachten muss. 

Als Beispiel(e):
  • Wolle ist relativ unempfindlich gegen leichte Feuchtigkeit (siehe dieser Artikel), aber schwer und hat einen Loft von unter 1cm – je winddichter sie ist, desto dünner oder schwerer wird sie. Dafür ist Wolle unempfindlich gegen Funken
  • Fleece verhält sich ähnlich wie Wolle, ist leichter, dafür sehr anfällig gegen Funken und Feuer.
  • Kunst- und Hohlfasern wärmen gut, ein Loft bis 10-15cm ist kein Problem, sind relativ leicht und unempfindlich gegen Feuchtigkeit. Bei preiswerten Fasern ist der Loft oft nicht ganz so sehr langlebig, oder die Faser schwer und schlecht komprimierbar. Vor allem bei Kleidung ist das aber vernachlässigbar. Die bekanntesten Vertreter sind hier Primaloft, G-Loft, Thinsulate und Hollowfill.
  • Daunen weisen hervorragende Bauschkraft und Komprimierbarkeit bei geringsten Packvolumen und Gewicht auf – aber auch sehr hohe Wartungsarbeit, bei Waschen und Reinigung – und sind empfindlich gegen Feuchtigkeit.  Aber gerade bei Temperaturen unter -15° sind Daunen die Oberliga!



Das Fazit:
Abschließend können wir ein paar Dinge zusammentragen, auf die sich dieser Artikel stützt und die man bei der Auswahl und Vorbereitung beachten sollte!
  • Kein Material wärmt von sich aus! Isolation verlangsamt das auskühlen!
  • Nicht das Material wärmt uns, sondern die darin gebundene Luft!
  • Feuchtigkeit und Wind lassen uns schneller auskühlen. Daher müssen wir uns davor schützen und dürfen nicht schwitzen!
  • Bei identischer Bauschkraft/Lofthöhe ist in der Regel die annähernd (Pi x Daumen) selbe Isolation gegeben, hier entscheidend ist das Verhalten des Materials unter Einfluss der Elemente, Gewicht, Packmass, Wartung im Kontext mit dem geplanten Einsatz – und zuletzt der Preis!
Das bedeutet aber auch, ein Artikel X mit 50% der Bauschkraft von Artikel Y kann nicht eine identische Isolation bei ansonsten identischen Faktoren ermöglichen! Prüft das, ehe ihr euch entscheidet!

Bitte beachtet auch:
Die Wärme ist abhängig von Müdigkeit, Nahrungslevel (satt oder hungrig), Alkoholpegel, Metabolismus, Körpergewicht und BMI, Luftfeuchtigkeit, etc. Die Loftangaben wurden unter Laborbedingungen mit einer Normfrau und Norm Mann getestet und daraus der Komfortwert statistisch ermittelt. Und selbst bei Ente vs Gänsedaune gibt es leichte Abweichung der Bauschkraft zu Isolationskurve.


Begadi Tip
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